Am 8. Mai 1981 wurde in diesem Kellerbüro der Verein „ambulante dienste“ gegründet. Sie finden von hier Zugang zu allen anderen Bereichen der Ausstellung.
Durch die einzelnen Ausstellungsräume führt Sie Matthias Vernaldi. Über seine Verbindung zu „ambulante dienste e.V.“ (kurz „ad“) und seine Biografie erfahren Sie jetzt mehr. Der Zeitstrahl enthält Informationen zu konkreten Ereignissen.
Biografie: Matthias Vernaldi
Der Aktivist und Autor Matthias Vernaldi ist für „ambulante dienste e.V.“ und auch für die Idee der Assistenz insgesamt von unschätzbarer Bedeutung.
Geboren 1959 im thüringischen Pößneck in der DDR, lernte er wegen einer angeborenen Muskelerkrankung nie laufen und verbrachte deshalb seine Schulzeit in Internaten in Gotha und Arnstadt. Diese Zeit war prägend für ihn und seine Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben.
Von 1976 bis 1981 absolvierte er durch Fernunterricht eine Prädikantenausbildung und zog 1978 mit behinderten und nichtbehinderten Freundinnen und Freunden in Hartroda in eine Landkommune. Ihr freies Leben stand jedoch unter der Beobachtung der Staatssicherheit. In Hartroda predigte Matthias Vernaldi in der Dorfkirche, saß im Gemeinderat und schrieb mit dem Mund Gedichte und Artikel sowie 1994 den autobiographischen Roman „Dezemberfahrt“, der durch Witz und literarisches Können gekennzeichnet war.
1994 kam Matthias Vernaldi als „Assistenzflüchtling“, wie er es selbst nannte, nach Berlin, wo er 1995 Kunde von „ambulante dienste“ wurde und sich schon bald politisch für die Rechte von behinderten Menschen zu engagieren begann. So war er 1995 als Vertreter der assistenzbedürftigen Menschen maßgeblich an der Entwicklung von gesetzlichen Bestimmungen beteiligt, die die persönliche Assistenz erst möglich machten. Matthias Vernaldi führte über viele Jahre für „ambulante dienste“ Schulungen und Fortbildungen der Assistenzen durch; der Film „Totgesagte leben lieber“ über sein Leben wird noch heute in bei Fortbildungen gezeigt. Von 1999 bis zu seinem Tod im März 2020 war Matthias Vernaldi bei „ambulanten dienste“ im Vorstand. Seit 2002 saß er auch im Landesbehindertenbeirat von Berlin. Und er war Mitglied in unterschiedlichsten politischen Gremien, wo er ehrenamtlich beratend die Interessen behinderter Menschen vertrat. Seit 2000 war Matthias Vernaldi für seine Assistenten Arbeitgeber und organisierte seine Hilfen selbst.
2000 wurde von ihm die Initiative „Sexybilities“ gegründet, in der behinderte Menschen zum Thema selbstbestimmte Sexualität beraten wurden. Matthias Vernaldi als der Hauptexponent dieser Initiative wurde durch diese Tätigkeit sehr bekannt und zum gefragten Dozenten und Interviewpartner.
2007 erschien erstmals die „mondkalb“, Untertitel „Zeitschrift für das organisierte Gebrechen“, die Matthias Vernaldi durch satirische Artikel und redaktionelle Tätigkeit über Jahre leitend mit prägte.
Darüber hinaus hat Matthias Vernaldi über die Jahre immer wieder Demonstrationen und Hausbesetzungen mit organisiert. So ließ er sich 2010 im Rahmen der Aktion „Wer spart, lässt uns hängen“ von einem Kran vor dem Gebäude der Senatsverwaltung für Finanzen in die Luft ziehen.
Für Matthias Vernaldi war wichtig, nicht auf Defizite zu schauen, stattdessen feierte er das Leben nach seinen Möglichkeiten. Sein Credo war: „Wir brauchen keine Sterbehilfe, sondern Lebenshilfe.“